Dr. Edmund Edelmann
Bevor die finanziellen Aspekte der Delegation an die Rheumatologische Fachassistenz (RFA) näher betrachtet werden, lohnt es sich, die gesetzlichen und versorgungspolitischen Grundlagen der Übertragung einer ärztlichen Tätigkeit auf die Fachassistenz genauer in Augenschein zu nehmen.
Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V die Delegation ärztlicher Leistungen ausdrücklich genehmigt. Die Ausführungsbestimmungen obliegen für die ambulante Versorgung dem Bundesmantelvertrag (BMV). Die Inhalte wurden zuletzt am 1. Oktober 2013 zwischen der KBV und GKV-Spitzenverband unter der Anlage 24 zum BMV festgelegt. Als roter Faden zieht sich durch die Erfordernis einer Qualifikation der medizinischen Fachkraft (MFA), MTLA (Laborassistentin) oder MTRA (Röntgenassistentin) die Notwendigkeit einer Überprüfung der delegierten Leistungen durch den Arzt, bzw. des persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts. Eine Delegation ist auch an Auszubildende möglich, die Delegation ist hier allerdings an eine besondere Sorgfalt des Arztes gebunden, der sich von den erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten überzeugen muss.
Unter Allgemeine delegierbare ärztliche Tätigkeiten werden im Bundesmantelvertrag ausdrücklich die Datenerfassung und Dokumentation von Untersuchungsergebnissen, eine standardisierte Erhebung der Anamnese und die Unterstützung bei der Vermittlung und Erläuterung von standardisierten Informationsmaterialien genannt.
Grundsätzlich kann nach diesen rechtsverbindlichen Vorgaben auch eine nicht speziell weitergebildete MFA unter ärztlicher Schulung und Aufsicht in der Rheumatologie diese Leistungen erbringen. Eine besondere Honorierung dieser Delegation erfolgt im Hausarztbereich im EBM sowie in den hausärztlichen Selektivverträgen und im Facharztbereich in fachärztlichen rheumatologischen Selektivverträgen, bisher ausschließlich beim Nachweis der Tätigkeit einer in der Versorgung von schweren Erkrankungen besonders geschulten und qualifizierten MFA.
Es ist das besondere Verdienst der Kollegen Florian Schuch und Jörg Wendler, dass diese bereits im Jahr 2005 erkannten, dass für die effektive Unterstützung bei der Versorgung von unseren Patienten mit komplexen Krankheitsbildern, das medizinische Fachpersonal einer gesonderten Schulung bedarf und ein komplettes Ausbildungscurriculum entwickelten. Diese Initiative wurde durch die DGRh und den BDRh aufgegriffen und über ein Autorenteam ein Schulungsprogramm für die RFA unter dem Dach der Rheumaakademie ab dem Jahr 2006 entwickelt.
Die Hausärzte erreichten mit ihrer für schwere Erkrankungen gesondert geschulten Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH), erstmals ab dem Jahr 2010 eine Vergütung der Delegation in den flächendeckenden Selektivverträgen nach § 73 b SGB V, der hausarztzentrierten Versorgung. Der Hausärzteverband war damit der Türöffner für eine analoge Vergütungsregelung für die Delegation an die Rheumatologische Fachassistenz im ersten rheumatologischen Selektivvertrag (Versorgungslandschaft Rheuma mit der TK nach § 140 a SGB V ab dem Jahr 2014).
Es zeigte sich bei den ab dem Jahr 2012 laufenden Vertragsverhandlungen mit der TK, und drei Jahre später mit der Barmer GEK, sowie ab dem Jahr 2015 mit der AOK Baden-Württemberg und BKK Bosch, relativ schnell, dass die Krankenkassen ein hohes Interesse hatten, eine Entlastung der Tätigkeit der Rheumatologen durch die gesonderte Finanzierung der RFA herbeizuführen und damit eine umfänglichere und qualitätsorientierte rheumatologische Versorgung zu ermöglichen.
Mittlerweile sind diese Versorgungsverträge in 12 Bundesländern ausgerollt. In den Versorgungsverträgen mit der TK, BKK Mobil Oil, pronova BKK und Barmer GEK besteht eine Vergütung für die nachzuweisende Anstellung einer RFA von 10 €/Quartal pro in den Vertrag eingeschlossenem Patienten.
Seit dem Jahr 2018 erfolgt auch im bundesweit ausgerollten Arzneimittelvertrag mit ca. 30 Krankenkassen (alle Ersatzkassen außer der Barmer GEK und mehrere, meist große Betriebskrankenkassen) eine Vergütung von 5 €/Quartal für die Delegationsleistung der RFA bei Verordnung von Biosimilars, die den Aufwand der Therapieumstellung und der gesonderten Schulung für neue Devices tragen soll.
Diese Förderung und finanzielle Anerkennung der Tätigkeit der RFA in den Selektivverträgen ist umso erfreulicher, als sich gerade im letzten und diesem Jahr abzeichnet, dass die Krankenkassen bereit sind, ihr Engagement bei den Selektivverträgen auszubauen. Dieses Jahr haben sich mit der BKK Mobil Oil und der pronova BKK zwei große Betriebskrankenkassen dem Versorgungsvertrag RheumaOne angeschlossen und sowohl die TK als auch die Barmer GEK haben die Versorgungsverträge mit der BDRh Service GmbH auf weitere Bundesländer ausgedehnt.
Aber trägt diese Finanzierung von 5 bzw. 10 € die laufenden Kosten für eine RFA, deren Delegationstätigkeit in der Regel zusätzlich zum üblichen Praxis- oder Ambulanzmanagement erfolgt?
Wird diese Tätigkeit nur innerhalb der Selektivverträge ausgeübt, kann dies bejaht werden. Je nach Kasse und Region besteht die Chance, über den jeweiligen Versorgungsvertrag zwischen 10 und 15 %, in Nordrhein (TK, Pronova und Mobil Oil) und in Hessen (Barmer GEK, TK, Pronova und Mobil Oil) bis zu 25 % der Patienten in den Selektivvertrag einzuschließen. Allein die Vergütung über die RFA-Pauschale kann dann zwischen 1.000 und 2.500 €/Quartal betragen und damit die Selektivvertrags-spezifische Zusatzarbeit der RFA wie Assessments und die Delegation bei der Anamneseerhebung, bei einer strukturierten Medikamenteninformation etc. abdecken.
Im Gegensatz zum hausärztlichen Versorgungsbereich ist im KV-System eine Finanzierung der Delegation durch Fachärzte bisher nicht möglich. Anlage 8 des Bundesmantelvertrags für Ärzte (BMV-Ä) sieht diese Förderung im § 4 Absatz 1 nur für Ärzte in der hausärztlichen Versorgung vor.
Im Vergleich zu den hausarztzentrierten Vollversorgungs-Selektivverträgen nach § 73 b, die die Delegation an die VERAH mit 5 €/Quartal bei schwerwiegenden Erkrankungen vorsehen, ist die Vergütungshöhe im KV-System, im EBM, mit aktuell 2,42 €/Quartal deutlich geringer. In § 7 der Anlage 8 des BMV-Ä ist festgelegt, dass für diese Delegationsziffer im EBM eine umfängliche Zusatzqualifikation der MFA über Fortbildungen der Bundesärztekammer nachzuweisen ist.
Eine Vergütungsposition im EBM für die fachärztliche RFA zu erreichen, dürfte sehr schwierig werden, da die KBV in einem insgesamt budgetierten Finanzierungsrahmen immer auch die Interessen der anderen Fachgruppen bedenken wird und jede neue Leistung zur Vergütungsminderung anderer Leistungen führt und vor allem zu Lasten der Ärzte und Fachgruppen geht, die keinen Anteil an dieser Leistung haben. Der Gestaltungsspielraum ist für Hausärzte diesbezüglich größer. Der KV-Hausarzttopf, das GKV-Vergütungsvolumen, das den Hausärzten zur Verfügung steht, wurde im letzten Jahrzehnt nicht ausgeschöpft. Neue Leistungen können im Hausarztbereich, insofern die Krankenkassen zustimmen, ohne Kürzung der Vergütung anderer Leistungen implementiert werden.
Eine Refinanzierung der Delegationsleistung einer RFA kann im System der Kassenärztlichen Vereinigungen und in der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) jedoch indirekt auch ohne eine (fraglos wünschenswerte) EBM-Ziffer für die Delegation erreicht werden.
Mit der Budgetbefreiung bei Neuvorstellungen durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) bietet sich seit dem 3. Quartal des Jahres 2020 die Chance, dass die Delegationstätigkeit über eine Zunahme an Neuvorstellungen finanziert wird.
Die zeitliche Entlastung des Rheumatologen durch eine strukturierte Voranamnese, durch das Assessment von CDAI, BASDAI, BASFI, BASMI, DAPSA etc. und durch eine strukturierte Patienteninformation über die verordneten Basistherapien durch die RFA, bietet die Chance, in den Praxen und Ambulanzen die Früharthritis-Sprechstunde auszubauen und mehr Erst- bzw. Neuvorstellungen anzunehmen. Das würde helfen, die Qualität der Rheumaversorgung insgesamt zu verbessern und auch wirtschaftlicher zu machen. Die seit Kurzem von den Krankenkassen beim Bundesministerium für Gesundheit eingebrachte Vorstellung, die bis zum 1.9.2020 bzw. letztmals bis zum 1.10.2020 noch bestehende Bereinigung von Neuvorstellungen, von Terminservice-Patienten im KV-System, durch eine Gesetzesänderung um 1 Jahr zu verlängern, würde dieser Chance auf eine Versorgungsverbesserung und Erleichterung der Finanzierung einer zusätzlichen Stelle für eine RFA, leider sehr entgegenstehen. 70 bis 90 % des Zusatzhonorars durch Neuvorstellungen würden durch eine Verlängerung der Bereinigung damit nicht ausbezahlt werden.
Eine weitere Refinanzierungsmöglichkeit der RFA-Tätigkeit außerhalb von Selektivverträgen und der oben skizzierten extrabudgetären Vergütung von Neuvorstellungen, ergibt sich im Versorgungssystem der ASV. Alle ärztlichen und technischen Leistungen, die im ASV-System abgerechnet werden, unterliegen keiner Mengenbegrenzung. Ein Leistungszuwachs, der Dank der ärztlichen Entlastung durch die RFA erreicht werden kann, schlägt sich in der ASV 1:1 in einer Umsatzsteigerung nieder.
Die Entlastungsfunktion, die die RFA wahrnehmen kann, ist ein Teil der Chance, über die ASV die Ambulanz- und Praxistätigkeit ausweiten zu können, Wartezeiten zu verkürzen und die Versorgung zu verbessern. Die Hauptchance liegt allerdings in der Anstellung von Rheumatologen, von Weiterbildungsassistenten, die ihre Leistungen in der ASV ohne Budgetierung abrechnen können.
Diese Chance einer Versorgungsverbesserung rheumatischer Erkrankungen durch die ASV kann zunehmend umgesetzt werden. Mittlerweile gibt es bundesweit 30 ASVTeams, die mit vermutlich mehr als 200 internistischen Rheumatologen an der nicht budgetierten ASV teilnehmen und zwischen 20 und 80 % ihrer Rheumapatienten in dieser Versorgungsebene behandeln.
Selektivverträge nach § 140 a, die nicht budgetierte Bezahlung der KV-Leistungen bei Neuvorstellungen und die komplette Budgetbefreiung in der ASV werden im Jahr 2021 zusehends die wirtschaftliche Basis der Leistungserbringung in der Rheumatologie verbessern und helfen damit, eine Ausweitung und Intensivierung der Delegation zu ermöglichen. Insofern könnte das Jahr 2021 das Jahr der Delegation in der Rheumatologie werden.
Für die nachhaltige Etablierung der Delegation in der Rheumatologie ist es überaus hilfreich, dass in mehreren internationalen Studien und inzwischen auch in Deutschland mit der PredAS-Studie zur Delegation bei der Früherkennung der ankylosierenden Spondylitis20, eine Gleichwertigkeit von Delegation und Standardversorgung für das Outcome der Patienten gefunden wurde.
Für die Umsetzung der Delegation in der ambulanten rheumatologischen Versorgung ist die Arbeit der Ad-hoc-Kommission Delegation der DGRh wichtig, die auf wissenschaftlicher und gesetzlicher Basis delegierbare Leistungen in der Rheumatologie definiert und publiziert.
Mit all diesen Studien und Initiativen, mit den oben dargestellten Entlastungsund Refinanzierungsmöglichkeiten sollte es gelingen, eine dauerhafte Akzeptanz der Delegation in der Gesellschaft, bei Patienten, bei den Rheumatologen, in der Politik sowie bei den Krankenkassen zu erreichen und diese sinnvolle Ergänzung und Erweiterung zur ärztlichen Tätigkeit, dauerhaft zu etablieren.