EINFÜHRUNG

DELEGATION VON LEISTUNGEN IN DER RHEUMATOLOGIE

Dr. Kirsten Hoeper

FAKTEN


Wir wissen: Die Behandlung von chronisch-entzündlichen Erkrankungen hat sich in den letzten Jahren, vor allem durch neue therapeutische Möglichkeiten mit der Anwendung von Biologika, deutlich verändert. Die Erkrankungen möglichst früh und schnell durch eine wirksame und konsequente Therapie unter Kontrolle zu bringen, ist die Voraussetzung, irreversible Organschäden, Gelenkdestruktionen und Komplikationen zu vermeiden. Für eine Optimierung des Outcomes ist die laufende Anpassung der Therapien bis zu einem definierten Endpunkt mit engmaschiger Verlaufskontrolle erforderlich.1-3 Aufgrund des hohen Risikos von Komorbidität bei allen chronisch-entzündlichen Erkrankungen ist ein Screening auf Begleiterkrankungen von großer Bedeutung..

Unsere vorhandenen ärztlichen Ressourcen reichen nicht aus, schon gar nicht, um eine frühzeitige, patientenzentrierte und leitliniengerechte Versorgung durchzuführen. Wir wissen auch:

  • Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen haben eine hohe Krankheitslast. Das z. T. frühe Manifestationsalter führt zu erheblichen Auswirkungen auf Aktivitäten und die Teilhabe in den Bereichen Ausbildung, Beruf, Partnerschaft und Familie.
  • Ein Zugang zur Spitzenmedizin fehlt häufig, insbesondere in ländlichen Regionen.
  • Die Zahl der Fachärzte liegt nur bei 50 % des Werts, der für eine optimale Versorgung notwendig wäre.4
  • Für die Zukunft ist sogar eine Verschlechterung zu erwarten, da angesichts der nur geringen Vergütung der Rheumatologie im DRG-System aktuell viele rheumatologische Zentren geschlossen werden und so in Zukunft noch weniger Fachärzte ausgebildet werden können.
  • Die vorhandenen niedergelassenen Praxen und Ambulanzen schaffen es nur unzureichend, den Versorgungsansturm zu bewältigen. Die Folge: Es kommt zu langen Wartezeiten auf einen fachärztlichen Termin.

Um der grundsätzlichen Problematik der langen Wartezeiten auf einen Termin in der Facharztversorgung zu begegnen, hat der Gesetzgeber in dem am 23. Juli 2015 in Kraft getretenen Versorgungsstärkungsgesetz die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, Terminservicestellen einzurichten, mit dem Ziel, innerhalb von einer Woche einen Termin bei einem Facharzt mit einer Wartezeit von maximal vier Wochen zu vermitteln.5 Diese konkrete Festlegung zur zeitnahen Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung ohne eine adäquate Patientensteuerung löst die Zugangsprobleme in der Rheumatologie jedoch in keiner Weise, sondern verschärft die Situation nur.

Die Medizinischen Fachangestellten (MFA) sind laut Statistischem Bundesamt die zweitgrößte Gruppe unter den Fachberufen im Gesundheitswesen. Im Auftrag der Ärztekammern entwickelt die Bundesärztekammer seit vielen Jahren Muster-Curricula für eine spezialisierte zusätzliche Qualifikation von MFAs. Die Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen erfordert ein multidisziplinäres Team aus ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeitern.

In Deutschland wird bei den nichtärztlichen Partnern auf Ernährungsberater, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Sozialberater etc. verwiesen. Die MFAs werden oftmals, trotz spezialisierter Zusatzqualifikation, nicht dazugezählt – ein in der Öffentlichkeit nicht kommuniziertes Faktum!

Während die Delegation von ärztlichen Tätigkeiten an nichtärztliches Personal in der Sekundärversorgung in anderen europäischen Ländern bereits etabliert ist6, gehört ein strukturierter Einsatz einer MFA in Deutschland derzeit noch nicht zum Versorgungsalltag! Durch unterschiedliche Gesundheitssysteme in Europa, Unterschiede in den rechtlichen Rahmenbedingungen der Delegierbarkeit von ärztlichen Leistungen an nichtärztliches Praxispersonal sowie Unterschiede in der Ausbildung, sind die Ergebnisse allerdings nicht uneingeschränkt auf die Versorgungssituation in Deutschland übertragbar.